Vorplattler- und Vortänzerlehrgang 2002
Am
23./24.11.02 trafen sich ca. 30 Teilnehmer zum Vorplattler- und Vortänzerseminar
des Südwestdeutschen Gauverbandes im Schurwaldhaus der Naturfreunde in
Lichtenwald/Hegenlohe.
Nach
der Begrüßung durch den Gauvorplattler Oliver Lehnert wurde das Seminar
von Dieter Ulrich, dem Referenten zum Thema „Rhetorik“, eröffnet. Es
wurden zuerst einige allgemeine rhetorische Verhaltensregeln für öffentliches
Reden beleuchtet und einige Tipps abgegeben, bspw. wie man mit der
Nervosität umgehen oder wie man ein Redemanuskript gestalten kann.
Im
praktischen Teil hatte jeder/jede Gelegenheit, vor der Gruppe sein Hobby
bzw. seine Freizeitbeschäftigung (außerhalb des Trachtenvereins) zu präsentieren.
Da die Zeit knapp bemessen war, konnte der Referent leider kaum auf die
einzelnen Kurzvorträge eingehen. Für die Teilnehmer war es dennoch eine
gute Übung, das freie Sprechen zu üben, außerdem war es ganz
interessant zu hören, was die TrachtenkameradInnen sonst noch beschäftigt.
Zum Schluss gab Dieter Ulrich noch einige Ratschläge zur Pressearbeit.
Nach
dem Abendessen sprach Reinhold Fink, der lange Jahre als Tanzleiter im
Gauverband tätig war, in seinem Vortrag über Volkstänze und gab dabei
einen Einblick in deren Definition: Als Volkstänze werden die Tänze
bezeichnet, die früher auf dem Tanzboden getanzt wurden. Dagegen handelt
es sich bei vielen Tänzen, die von den Trachtenvereinen und allgemein von
Volkstänzern aufgeführt werden, um Neuschöpfungen, die v.a. in der
Jugendbewegung (in den 1920er Jahren) kreiert wurden. Er gab zu verstehen,
dass die Rolle der Jugendbewegung zwiespältig gesehen werden müsse, da
sie einerseits das Volkstanzen populär gemacht habe, andererseits aber
die Pflege von traditionellen Volkstänzen, v.a. von Rundtänzen wie
Polka/Schottisch, Rheinländer, Zwiefache nicht unterstützt habe.
Reinhold Fink gab einige Beispiele über die Verbreitung der Tänze über
ganz Deutschland bzw. Europa. Dabei ist zu beachten, dass gleiche Tänze
in verschiedenen Regionen oft unterschiedlich getanzt wurden, wodurch sich
die oftmals unterschiedlichen Tanzbeschreibungen für dieselben Tänze
erklären lassen.
Um
eine praktische Einführung in das Lesen und Umsetzen von
Tanzbeschreibungen zu geben, legte Reinhold Fink eine Tanzbeschreibung
eines den Teilnehmern unbekannten Vierpaar-Tanzes vor. Vier Paare sollten
nach Anweisung aus der Gruppe den „Puttjenter“ lernen. Man stellte
fest, dass beides gar nicht so einfach ist, weder das Lesen und richtige
Interpretieren der Tanzbeschreibung noch das Umsetzen der Anweisung beim
Tanzen. Auch die Zusammenarbeit der Tanzleiter mit den Musikern musste geübt
werden. Dies war ein sehr aufschlussreicher und interessanter
Programmpunkt, der einen Einblick in die praktische Arbeit von Tanzleitern
gab.
Der
Abend klang mit Musik und Tanz aus und auch das gesellige Beisammensein,
von manchen bis in die Morgenstunden ausgedehnt, durfte natürlich nicht
fehlen.
Am
Sonntagmorgen durften die Teilnehmer ein sehr interessantes Referat von
dem Volkskundler Dr. Schöck zum Thema „Bräuche“ hören. Zuerst gab
er eine Einführung in den Begriff des „Brauches“ und stellte folgende
Definition (nach Bausinger) vor: ein Brauch definiert sich durch sozial
bestimmtes, regelmäßig ausgeübtes und durch Tradition geprägtes
Handel, durch die Aktivität einer Gruppe im Gegensatz zur individuellen
Aktion, durch eine wiederkehrende Handlung (wiederkehrende Einmaligkeit im
Unterschied zur Alltäglichkeit). Er zeigte die Probleme, die mit dem
Begriff „Tradition/traditionell“ verbunden sind. So wird z. B. die
Legitimation eines Brauches durch Tradition kaum hinterfragt, was aber
durchaus Sinn machen würde, da man bei Nachforschungen oftmals bemerkt,
dass diese Tradition noch gar nicht so alt ist (als Beispiel nannte er den
Adventskranz, der sich erst in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts
durchsetzte).
Des weiteren gibt es eine Anzahl von übergeordneten Merkmalen, von denen
die meisten auf jeden Brauch angewandt werden können, wie unter anderen
Umzug, Essen, Baum, Lichter, Singen/Musik, Maskierung.
Schöck erklärte die Funktion von Bräuchen und auch, wie sich Bräuche
ändern oder verschwinden können, da sie sich an die gesellschaftlichen
Notwendigkeiten anpassen und vom sozialen und kulturellen Umfeld
akzeptiert werden müssen. Er ging dann vor allem auf die zeitliche
Dimension von Bräuchen ein. Bei der Nachforschung kann man oft nur auf
einen Zeitraum von 50 bis 100 Jahren zurückblicken, in dem sich ein
Brauch etabliert hat. Der älteste überlieferte Brauch ist laut Schöck
ca. 500 Jahre alt. Ein Brauch, der sich allerdings stark verändert hat
vom Heischebrauch von armen Schulmeistern und Schülern, die in der
Reformationszeit um Geld und Lebensmittel „bettelten“, über den
Heischebrauch der Kinder, die von Haus zu Haus zogen, um für sich selbst
etwas zu bekommen zum Brauch der Kirche, die diesen Brauch umfunktioniert
und damit erhalten hat, indem sie Geld für einen sozialen Zweck sammelt.
Schöck erklärte, dass es bei der Überlieferung von Bräuchen vor allem
auf die mündliche Tradierung ankommt und dass in dieser Hinsicht ein
Zeitraum von 50 Jahren schon viel ist. Aus diesem Grund ist es sehr
unwahrscheinlich, dass aus mündlicher Überlieferung ein Brauch sich über
1000 oder 2000 Jahre hält. Man sollte also sehr vorsichtig mit Angaben
wie „schon immer“, „uralt“ etc. umgehen.
Das Seminar endete mit einem Rückblick auf die Geschichte des
Gauverbandes von Gunter Dlabal, der unter anderem über die Probleme bei
der Neubeantragung des Gauverbandes nach dem 2. Weltkrieg sprach. Er
zeigte den Teilnehmern Fragebögen der Besatzungsmacht, der den
beantragenden Personen vorgelegt wurde, so dass man erahnen konnte, mit
welchen Fragen und Problemen die Vereine bzw. der Verband damals
konfrontiert waren.
Zum Schluss wurde noch - neben einigen organisatorischen Dingen - über
die Gestaltung des Gaumitteilungsblattes diskutiert, dessen neues
Erscheinungsbild auf allgemeine Zustimmung stieß. Es wurde angeregt, künftig
auf der Innenseite des Deckblattes Namen und Adressen von Funktionsträgern
zu nennen. Auch sollen künftig feste Ausgabetermine (zu den
Gauversammlungen), und damit auch feste Redaktionsschlusstermine die
Mitwirkung der Vereine erleichtern. Inhaltlich sollte das Mitteilungsblatt
schwerpunktmäßig aus den Arbeitskreisen und den Gauveranstaltungen
berichten. Dennoch sind die Vereine eingeladen, Artikel über besondere
Veranstaltungen oder Begebenheiten abzugeben. Auch die Verteilung des
Blattes soll überdacht werden. So wird man bei den Vereinen, die für die
Weiterverteilung an ihre Mitglieder zuständig sind, nach der gewünschten
Anzahl von Exemplaren fragen, so dass mehr Interessierte erreicht werden können.
Dagmar
Beer (Bayernverein Untertürkheim)