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Trachtenseminar Ludwigsburg

Zum ersten Trachtenseminar unseres Gauverbandes wurde am 12.-13.04.2003 in die Jugendherberge Ludwigsburg eingeladen. Erwartungsvoll waren etwa 35 Trachtler aus den Vereinen des Verbandes und des Trachtengaus Schwarzwald gekommen ... und sie wurden an beiden Tagen nicht enttäuscht. Das Programm wurde spannend und sehr aufschlussreich von den Referenten und den Machern des AK Tracht unter Leitung von Günther Spieß durchgeführt.

Im ersten  Programmpunkt "Meine Tracht und ich" wurde von Günther Spieß über die Tracht im allgemeinen referiert. Wir sollten es uns zur Aufgabe machen, unsere Trachten so original wie möglich zu tragen, d.h. auch entsprechend den Jahreszeiten, den Festlichkeiten, dem Familienstand, dem Alter, der Stellung im Ort und des Berufes so zu erhalten, wie es früher üblich war. So wurden im Winter sicher keine kurzen Lederhosen oder kurzärmelige Blusen getragen. Der Reiche trug eine elegantere Tracht als der Ärmere, ein Jungbauer eine andere als der Altbauer.

Nach der Kaffeepause ging es weiter mit diesem Thema: verschiedene Trachten unserer Vereine und ihre Entstehung wurden von unserem Gauvorstand Gunter Dlabal vorgestellt. Es wäre wünschenswert, wenn unsere Vereine - Volkstracht wie Gebirgstracht - weiter erforschen würden, um eine vielfältigere Darstellung ihrer Trachten zu ermöglichen und damit auch glaubwürdiger im Umgang mit den Trachten in der Öffentlichkeit zu erscheinen. So sollte es doch möglich sein, von ein und derselben Tracht verschiedene Farbgebungen, Trageweisen, Altersunterschiede, soziale Unterschiede usw. zu dokumentieren, wie sie früher im Dorf oder Gebiet gleichzeitig getragen wurden.

Gudrun Lorenz führte uns im 2. Programmpunkt "Stoffkunde" in die Welt der verschiedenen Arten von Stoffen, ihrer Herstellung und Verarbeitung ein. Dies war besonders für diejenigen sehr interessant, die ihre Trachten selbst schneidern und auch stofflich so original wie möglich erschaffen möchten. Vor allem auch in der Trachtenforschung ist es wichtig, sich in dieser Materie auszukennen, um die Kleidungsstücke zeitlich, nach sozialer Herkunft oder nach der Eignung zu verschiedenen Tätigkeiten einstufen zu können.

Ein sehr interessantes Gebiet wurde im Programmpunkt "Hintergrundwissen zur Trachtenforschung erarbeiten"  von Stefan Christl vorgestellt. Es ging darum, wie man anhand verschiedener Arbeitshilfen - wie alten Fotographien, gemalten Bildern, Oberamtsbeschreibungen, Inventur- und Teilungslisten - herausarbeiten kann, wie eine Tracht in einem bestimmten Gebiet, zu einer bestimmten Zeit und zu verschiedenen Anlässen getragen wurde. Mit Hilfe zweier Beispiele mussten die Teilnehmer aus alten Beschreibungen herausfinden, wie die Trachten anno 1800 - 1850 in Ludwigsburg bzw. Waiblingen ausgesehen haben könnten. Man konnte daraus ersehen, wie unterschiedlich früher die Trachten im selben Ort getragen wurden. Zusätzlich wurden Tipps gegeben, wie man an solche Unterlagen kommen kann.

Am Sonntag konnten wir Herrn Alexander Wandinger, Leiter des Trachteninformationszentrums in Oberbayern, unter uns begrüßen. Mit dem Thema "Grundlagen der Trachtenbewegung" führte er uns in die Anfänge der Trachtenerhaltung und die Gründung der Vereine ein. Auch in Bayern bestehen Probleme, die Trachten zu erforschen wie sie ursprünglich getragen wurden. Man kann feststellen, dass selbst die Tracht, die früher die Alltagsbekleidung der Bevölkerung war, sehr stark von der Mode der Städter oder gar der Mode anderer Länder wie Frankreich, Italien oder dem Orient, beeinflusst wurde und sich ständig weiterentwickelte. Diese Weiterentwicklung sollte sich auch in unseren Trachten niederschlagen, indem wir die Tracht nicht als "Vereinsuniform" betrachten, sondern sie genauso lebendig wie unsere Vorfahren tragen. Auch hier sollten sich Standesunterschiede, Alter, Familienstand, Beruf, Vermögen, Jahreszeiten und Anlässe in den Farben, Stoffarten, Trageweisen und Ausstattungen der Trachten genauso zeigen wie damals. Es wäre zu begrüßen, wenn in den Vereinen nicht nur Volkstanz, Schuhplatteln und Volksmusik, sondern auch die Trachtenforschung einen gebührenden Platz einnehmen würde.

Gudrun Lorenz beendete die Veranstaltung mit dem Thema "Kindertracht - Tracht ist cool". Das Anliegen bestand darin, es den Kindern so leicht wie möglich beim Tragen der Tracht zu machen. Dies soll nicht heissen, dass Kinder keine Tracht tragen sollen, sondern eine Tracht, die in den Grundeigenschaften der Erwachsenentracht nahe kommt und trotzdem für Kinder tragbar und angenehm ist. So wäre es z.B. für Kinder sicher angenehmer, in einem Stoff- oder Samtmieder aufzutreten anstatt in einem steifen Mieder eingeengt zu sein. Anhand alter Zeichnungen wurde den Teilnehmern die früher üblichen Trachten der Kinder gezeigt. So hatten die Buben meist keine Lederhosen, sondern kurze oder lange Stoffhosen. Mädchen wurden Kleider angezogen, die durch vorher eingenähte Falten dem Wachstum angeglichen werden konnten. Um Kindern mehr Bezug zur Tracht zu vermitteln wäre es möglich, die Tracht langsam "zu steigern" -  also nicht gleich eine komplette Tracht, sondern Alter und Bewusstsein entsprechend immer wieder ein Teil hinzusetzen oder gegen ein höherwertiges auszutauschen.

Für die Teilnehmer brachte dieses Wochenende sehr viel, erhöhte es doch das Verständnis für die Tracht. Ohne die Trachtenforschung wird die Zukunft der Tracht und der Vereine nicht zum allerbesten stehen, nur durch Weiterentwicklung wird die Tracht auch für Außenstehende wieder interessant. Auch sollten die angesprochenen Themen für die Vereine ein wichtiger Punkt ihrer Arbeit sein und ihnen wieder Aufschwung geben. Wer nicht dabei war hat sicher einiges verpasst, und der Eine oder Andere ist jetzt hoffentlich neugierig geworden. Vielleicht können Günther Spieß und sein Team diesem erfolgreichen Seminar weitere folgen lassen - wir würden es uns wünschen. Dem AK Tracht sei jedenfalls Dank gesagt ... "es war Spitze!"

Gez. Albrecht Nagel (Gauschriftführer)